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Wie du mir, so ich dir

Bei Sonnenschein, milden Temperaturen und einem leichten Wind in einem Strandkorb zu sitzen und auf das Meer zu schauen, ist ein echtes Highlight meines Kurzurlaubs. Es gibt wenig, was ich im Moment mehr genießen könnte. Da stört es mich auch nicht, dass ich nicht alleine am Strand bin.

Dass Leute mit ihrem Hund am Wasser entlang schlendern oder Kinder eine Sandburg bauen. Kindern schaue ich ohnehin gerne beim Spielen zu. Ihre ungezügelte Kreativität und Neugier sind für mich Vorbild. Und … oh, oh, das geht schief …

Zwei Jungs, fünf oder sechs Jahre alt, haben nebeneinander, jeder für sich, eine Sandburg gebaut. Während der eine am Verfeinern der Burgzinnen war, warf der andere seinen Ball in die Luft, um ihn wieder aufzufangen. Allerdings hat er dabei nicht auf die Umgebung geachtet. So trampelt er rückwärts in die Burg seines Freundes. Das Geschrei ist groß. Der betroffene »Baumeister« sinnt auf Rache, stürmt auf die Burg des vermeintlichen Angreifers zu und tritt sie nieder.

Jetzt wird es wohl richtig zur Sache gehen. Ich schaue mich schon mal nach den Eltern der Beiden um, um notfalls dazwischen zu gehen. Die nächste Eskalationsstufe scheint erreicht, als der eigentliche »Übeltäter« auf die von ihm teils zerstörte Sandburg zugeht und sich vor ihr nieder kniet. »Jetzt gibt er ihr den Rest«, denke ich so vor mich hin. Doch dann bin ich ziemlich baff.

Überraschende Lösungen

Ohne auch nur einen Blick auf seine eigene, gänzlich niedergetrampelte Burg zu werfen, macht er sich daran, den angerichteten Schaden wieder zu beheben. Ganz vorsichtig schichtet er Sand aufeinander und versucht, diesen an der noch intakten Struktur der Burg anzupassen. Zwei Meter von ihm entfernt, hat derweil sein Spielkamerad in seiner Zerstörungswut innegehalten. Nun steht er etwas unschlüssig da. Er scheint gar nicht zu wissen, wie er auf die begonnenen Reparaturarbeiten reagieren soll. Zögernd geht er auf seine Burg zu, verharrt einen Moment und kniet sich dann ebenfalls nieder. Erst stumm und zaghaft, dann immer aktiver, beteiligt er sich an deren Wiederaufbau.

Ein schönes Bild. In Gedanken male ich mir aus, wie es weiter geht. Wenn die eine Burg fertig ist, gehen die beiden zur anderen und bauen auch diese auf. Doch wieder schaffen es die beiden mich zu überraschen. Denn sie wollen gar nicht mehr aufhören, an der einen Burg miteinander zu bauen. Mittlerweile hat sie bereits die vormalige Größe übertroffen. Immer noch ziehen sie den Burggraben weiter und schütten Sand für eine Verlängerung der Mauern auf.

Wow! Kinder finden manchmal auf Probleme ganz eigene, überraschende Lösungen. Wenn das bei uns Erwachsenen doch auch so sein könnte. Wir trampeln zwar die Burg von anderen nicht nieder, aber stattdessen hetzen wir unsere Anwälte auf sie. In Gruppen, Organisationen oder gar Staaten, setzt sich das fort. Da scheint es wenig Platz für überraschende Lösungen zu geben.

Auch die Bibel mag mir da auf den ersten Blick nicht der ideale Ratgeber zu sein. »Auge um Auge, Zahn um Zahn« heißt es im 2. Buch Mose, Kapitel 21. Ist das nicht quasi eine Aufforderung dazu, erlittenes Unrecht mit gleicher Münze heimzuzahlen?

Feindesliebe

Die Intention dieser so genannten Talionsformel (lat. talio = Vergeltung) war eine andere. Damit sollte die im Alten Orient stark verbreitete Blutrache eingedämmt werden. Bei dieser ging es nicht mehr darum, für eine erlittene Verletzung eine angemessene Entschädigung zu erhalten, sondern vielmehr dem vermeintlichen Gegner hart zu bestrafen und so dafür zu sorgen, dass sich etwas Gleichartiges nicht wiederholt. Eine derart harte Vergeltung konnte von der Gegenpartei natürlich nicht akzeptiert werden. Und so schlug sie mit noch größerer Wucht zurück. Es eskalierte! So, wie wir es heute in etlichen, auch weltweiten Konflikten mit ansehen müssen.

Die Talionsformel sollte der gegenseitigen Zerstörungswut Einhalt gebieten. Sie sollte für eine Verhältnismäßigkeit von Vergehen und Strafe sorgen. Für die damalige Zeit war das ein revolutionärer Gedanke, den Gott den Menschen mitgab.

Mit Jesus Christus kam ein Gedanke hinzu, der noch viel weiter reichte. Der, der Feindesliebe. Da werden wir aufgefordert, den Kampf gegen unseren Gegner aufzugeben. Lieben sollen wir ihn stattdessen. Bei allem Bemühen mich an dem zu orientieren, was Jesus Christus als das Richtige ansieht, muss ich einräumen, dass ich mit der Feindesliebe meine Schwierigkeiten habe. Wenn ich mich im Recht sehe, so sollte es doch auch möglich sein, darauf bestehen zu können. Basta.

Aus Unversöhnlichkeit wird Neues

Helfen, mich zumindest gedanklich in Richtung Feindesliebe zu bewegen, tut mir die Vorstellung, was ich mit meinem vermeintlichen Feind gemeinsam habe. Diese Herangehensweise verschiebt meinen Fokus: Weg vom Konflikt, hin zu etwas Konstruktivem. Klar, das eigentliche
Problem ist damit nicht vom Tisch. Doch wenn ich bei meinem Gegenüber Gemeinsamkeiten entdecke, fällt es mir leichter nach Lösungen und Auswegen für unser Problem zu suchen. Diese Vorstellung gefällt mir. So kann aus Unversöhnlichkeit etwas Neues entstehen.

Wie bei den beiden Jungs. Immer noch bauen sie an ihrer Burg, die größer und schöner geworden ist wie die Bisherigen. Mit diesem Bild vor Augen gehe ich in Gedanken die Weltkonflikte durch und versuche mir Gemeinsamkeiten bei den Konfliktparteien vorzustellen. Ein herausfordernder Versuch. Ob das andere auch tun?

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