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TÜV-geprüft durchs Leben

Eigentlich mag Carsten das monatliche Abendmahl. Es tut ihm gut, in der Gemeinschaft mit anderen das zu teilen, was die Grundlage des gemeinsamen christlichen Glaubens ist. Das berührt tief in ihm einen ganz wichtigen und sensiblen Punkt. Aber, wie gesagt: Eigentlich!

Gewissensbisse

Seine Freude über das, was er dort erlebt, wäre noch größer, wenn da nicht dieser Schmerz im Vorfeld des Austeilens von Brot und Kelch wäre. Dieser Schmerz, den er spürt, wenn das Sündenbekenntnis ansteht und er gezwungen ist, sich mit dem auseinanderzusetzen, was in den letzten vier Wochen alles so geschehen ist. Das ist üblich in seiner Gemeinde, in seiner Kirche; das gehört eben dazu. Und dennoch bereitet es ihm jedes Mal ziemliche Qualen.

Werde ich den Anforderungen gerecht?

Denn Carsten weiß ganz genau, an welchen Stellen er im letzten Monat schuldig geworden ist. Als alleinerziehender Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, der darüber hinaus auch noch als Streifenpolizist voll berufstätig ist, ist er gar nicht in der Lage, allen Anforderungen, die auf ihn zukommen, gerecht zu werden. Da hilft es ihm auch nicht, wenn er von seinen Vorgesetzten zu hören bekommt, dass er eine tolle Arbeite macht, oder die Lehrer beim Elternabend sich positiv über seine Kinder äußern. Eigentlich weiß er, dass niemand von ihm erwartet, ein richtiger Super-Dad oder Super-Cop zu sein, dem nun absolut alles gelingt.

Und doch ist es da, das Gefühl, nicht alles richtig gemacht zu haben, versagt zu haben. Jeden Monat wieder. Denn er kann sich zum Beispiel noch so viel Zeit für seine Kinder nehmen, trotzdem passiert es, dass er ein wichtiges Fußballspiel von Lisa verpasst oder nicht dabei sein kann, wenn Paul bei einer Aufführung der Musikschule am Flügel brilliert. Der Enttäuschung bei den Kindern folgt dann meist auch noch eine Zeit des »Bockig-seins« – typisch für das Alter. Auch in seinem Beruf kann er es nicht allen recht machen. Nicht selten, wenn er auf Streife durch die Stadt unterwegs ist, findet er sich in Situationen wieder, wo er sich entweder seinem Dienstherrn gegenüber nicht 100% korrekt verhält oder seine persönliche christliche Überzeugung außer Acht lassen muss.

All das wird ihm, in den wenigen Augenblicke der Stille bewusst, die während der Liturgie für das persönliche Sündenbekenntnis vorgesehen sind. Und das tut dann einfach nur weh.

Rostlaube ohne TÜV-Plakette

In diesen Momenten der Stille fühlt er sich dann wie ein altes Auto, wie eine Rostlaube, das zum TÜV gebracht wird. Der Prüfer schüttelt nur müde lächelnd den Kopf: »So kommst du hier nicht durch.« Erst eine Reihe von umfangreichen und vor allem auch teuren Reparaturen ist notwendig, damit zumindest die Aussicht besteht, dass der Wagen für zwei weitere Jahre auf den Straßen unterwegs sein darf. Da müssen die ganzen Bremsen erneuert werden und auch die Zylinderkopfdichtung. Das Reifenprofil ist ebenso runter, wie das Kupplungsseil ausgeleiert ist. Die Scheinwerfer müssen ebenso neujustiert werden wie der Vergaser. Im Endeffekt hilft wirklich nur eine Rund-um-Erneuerung, um aus der Rostlaube ein verkehrstüchtiges Auto zu machen.

Der TÜV bei Gott

Aber zum Glück gibt es diese Rundumerneuerung auch beim Abendmahl. Und im Gegensatz zum echten TÜV nimmt Gott diese Erneuerung bei uns gleich selbst vor. »Gott sieht nicht mehr auf unsere Schuld. Er vergibt unser Versagen. Darauf können wir uns verlassen. Sein Bund mit uns bleibt bestehen«1, so formuliert der Pastor oder die Pastorin während des Sündenbekenntnisses die Zusage der Vergebung. Doch obwohl Carsten die Worte inzwischen auswendig kann, dauert es immer eine ganze Weile, bis er sie für sich annehmen und sich zugestehen kann, dass Gott ihn trotz seiner Verfehlungen liebt.

Erst wenn Carsten mit den anderen zusammen um den Abendmahlstisch steht, fällt ihm so langsam die Last von den Schultern. Er schaut dann in die Runde und sieht die anderen Frauen und Männer, von denen er weiß, dass es ihnen ähnlich ergeht. Alle eint sie es, dass sie ihr Bestes geben wollen, verbunden mit dem Wissen, trotzdem nicht perfekt sein zu können. Alle tragen sie ganz unterschiedliche persönliche Schuld mit sich, die sie vor Gott bekennen und dafür Vergebung zugesprochen bekommen.

Bis zum nächsten Abendmahl heißt es dann, sich von Neuem den Herausforderungen zu stellen und dabei zu schauen, wie man das Beste daraus macht. Wie bei einem Auto nach dem TÜV, für das man sich vornimmt, jetzt aber wirklich die Inspektionsintervalle einzuhalten, den Ölstand regelmäßig zu überprüfen und die Verschleißteile rechtzeitig auszutauschen, bevor ein noch größerer Schaden eintritt. Genauso nimmt sich Carsten vor, wieder achtsam mit sich und seinen Kindern umzugehen und auch bei der Arbeit im Streifendienst ganz genau hinzuschauen, um vor allem den Menschen, mit denen er es zu tun hat, gerecht zu werden. Und wenn trotz allem etwas misslingt, gibt es zum Glück in vier Wochen den nächsten Besuch bei Gottes »TÜV«.

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