Perfekt werde ich niemals sein
Wer mich erst heute kennenlernt, wird es vielleicht nicht für möglich halten: Aber ich bin tatsächlich ein erfolgreicher Turniertänzer gewesen. Dass ich diesen Sport ausgeübt habe, liegt zwar schon über 30 Jahre zurück, doch die Auswirkungen spüre ich noch heute.
Damit meine ich nicht nur meine geschundenen Gelenke. Nein, noch etwas anderes begegnet mir immer wieder im Leben, das mich an alte Zeiten erinnert. Es geht um den Spruch: »Vor den Erfolg haben die Götter, den Schweiß gesetzt!« Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mir dieser Spruch, der dem griechischen Dichter Hesiod zugeschrieben wird, missfallen hat. Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Obwohl ich leider einräumen muss: An dieser Aussage ist durchaus etwas dran.
Meine damalige Tanzpartnerin Beate und ich haben 3 bis 4 Mal in der Woche hart trainiert, bevor es am Wochenende zu den Turnieren ging. Was neben dem Ausdauertraining immer wieder auf dem Trainingsprogramm stand, war die Verbesserung der Technik. Die korrekte Fuß- und Beinarbeit ebenso wie die richtige Arm- und Kopfhaltung. Ständig wiederholten wir die gleiche Tanzfigur, bis sie »perfekt« saß. Der Erfolg gab unseren Bemühungen recht. Wir wurden mehrfach Berliner Meister in den Standard- und Lateinamerikanischen Tänzen und haben in der deutschen Spitze mitgetanzt. Das harte Training einzelner Figuren hat sich so sehr eingeprägt, dass ich selbst heute noch bestimmte Schrittkombinationen quasi im Schlaf beherrsche – auch wenn es dann etwas in den Knien knackt und zwickt.
Noch etwas anderes hat sich bei mir eingeprägt. Selbst wenn es mir schwerfällt, gibt es immer wieder Situationen, da muss ich mich durchbeißen, um Erfolg zu haben. Zum Beispiel wenn ich bei einer neuen Webseite Kundenwünsche in der Programmierung umsetze. Das ist manchmal ein ganz schöner »Fummelkram«, bis alles funktioniert. Aber wenn es dann nicht nur korrekt läuft, sondern auch noch gut ausschaut, dann ist die Freude beim Kunden groß. Und ebenso bei mir.
Über einen hart erarbeiteten bzw. erkämpften Erfolg freue ich mich ganz besonders. Sicher, es ist schön, wenn mal etwas richtig rund läuft und gut von der Hand geht. Ich danke Gott dafür und wünsche mir mehr dieser Momente. Doch ich weiß: Wirklich weiter bringen mich jene Erfolge, für die ich mehr investieren muss, als nur das Erlernte einzubringen.
So geht es mir immer wieder als Laienprediger, wenn ich eine Predigt vorbereite. Gerne greife ich dabei auf die Losungen der Herrnhuter Gemeine zurück, die für jeden Sonntag einen bestimmten Bibelvers als Predigttext vorschlagen. Wenn ich diese vorgegebenen Bibelverse übernehme, komme ich nicht in Versuchung nur über meine Lieblingsstellen zu predigen. Selbst wenn bei den Losungen ein bereits bekannter Text dran kommt, mache ich es mir nicht leicht. Mein Ansporn ist es dann, einen Blickwinkel auf das beschriebene Geschehen zu werfen, der nicht so offensichtlich ist und für den Hörer eine Überraschung bereithält. Das ist für mich eine Herausforderung und dabei lerne ich am meisten.
So ist es mir bei dem Gleichnis vom Sämann gegangen, dessen Samen nicht nur auf das fruchtbare Feld fallen. Sondern auch auf den Weg, wo sie die Vögel wegpicken; zwischen die Steine und unter die Dornen, wo die Samen keine Gelegenheit haben, tiefe Wurzeln zu schlagen (Matthäus 13,1-9). Schnell hatte ich bei diesem Gleichnis die Menschen vor Augen, bei denen Gottes Wort (der Samen) keine »Wurzeln schlagen« kann. Schwerer fiel es mir, die Worte auf mein eigenes Leben zu beziehen. Und zu erkennen, dass ich nicht nur fruchtbare Erde in mir habe, wo sich Gottes Wort wunderbar entwickeln kann. Sondern auch sandige Wege, Steine und Dornengestrüpp. Diese äußern sich bei mir in alten Gewohnheiten, die ich nicht ablegen mag; in persönlichen Differenzen, wo ich noch keinen Frieden gefunden habe oder in Ablenkungen, die mich vom Wesentlichen abhalten. Begebenheiten also, wo Gottes Wort es schwer hat, zu mir durchzudringen und keine »Wurzeln« in mir schlagen kann. Eine mühsame und schmerzvolle Erkenntnis. Aber sie bringt mich weiter in meinem geistlichen Wachstum.
Perfekt werde ich niemals sein
Mich der Mühsal immer wieder auszusetzen, immer wieder nach dem Mehr zu streben, mag mir manchmal so vorkommen, als versuchte ich perfekt zu sein. Doch ich weiß nur zu gut, dass ich mich noch so sehr anstrengen kann: Perfekt werde ich niemals sein. Deswegen möchte ich aber nicht in meinen Bemühungen nachlassen. Sicher, sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben, ist allemal weniger anstrengend. Doch dabei bleibt, zumindest für mich, die Freude über ein erreichtes Ziel auf der Strecke.
Und so halte ich es mit dem Apostel Paulus, der in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth seine Leute dazu ermuntert hat, so zu leben, wie die Läufer in einem Wettkampf (1. Korinther 9,24). Alle wissen, dass es bei dem Rennen nur einen Sieger geben kann und trotzdem strengen sich alle an und geben ihr Bestes.
Das möchte ich tun. Zusehen, dass ich mein Bestes gebe. Nicht um irgendwann perfekt zu sein, sondern um mich über das Erreichte zu freuen. Das bringt mich im Beruflichen ebenso weiter, wie in meinem geistlichen Wachstum. Gerade bei letzterem tritt der schöne »Nebeneffekt« auf, dass ich mich fühle, als wäre ich Gott wieder ein Stück näher gekommen.
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