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Gut genug ist manchmal besser

Karsten M. greift bereits zum dritten Mal zu seinen »Muntermachern«. Es ist schon spät in der Nacht und die kleinen weißen Pillen sollen ihn wach halten, damit das neue Konzept, auf das seine Chefin wartet, wirklich perfekt wird.

Als langsam die Dämmerung aufzieht, ist er fertig. Erschöpft lehnt er sich in seinem Arbeitsstuhl zurück und schließt für einen Augenblick die Augen. »Nur einen Moment entspannen«, denkt er sich. Als er munter wird, ist es bereits Mittag. Mist! Das Meeting, an dem er sein Konzept hätte vorstellen sollen, ist bereits vorbei. Der Anrufbeantworter an seinem Telefon blinkt und als Karsten M. die Nachricht abhört, erfährt er, dass seine Chefin außer sich vor Wut ist. Obwohl es nicht sonderlich überzeugte, wurde dem Konzept seines ärgsten Konkurrenten der Vorzug gegeben – und für Karsten M. schon eine weit entfernte Außenstelle gesucht, zu der er zwangsversetzt werden soll. Er fühlt sich, als bräche gerade sein gesamtes Leben zusammen.

Im Hamsterrad

Diese kleine Geschichte zu Beginn weist natürlich nicht die geringste Ähnlichkeit mit meinem oder gar Ihrem Leben auf. Sie, der oder die das gerade liest, und ich wissen ja ganz genau, wann ein Übermaß an Anstrengung nur noch minimale Verbesserungen mit sich bringt und können damit leben, dass wir nicht perfekt sind. Wir beide sind auch weit davon entfernt, uns über das, was unsere Anstrengungen erzeugen, zu definieren. Wir beide sind uns unseres Wertes als Mensch bewusst und bedürfen daher keiner zusätzlichen Bestätigung durch andere Menschen. Wir beide lassen uns nicht in irgendein Hamsterrad hineinzwängen, in dem wir uns dann bis zur Erschöpfung abstrampeln. Stimmt‘s?

Na ja, ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich dem Vorgenannten nicht zu 100 Prozent entspreche. Ich habe schon so meine Befindlichkeiten und freue mich darüber, wenn meine Arbeit auf Anerkennung trifft. Denn mit dem Spruch: »Nicht gemeckert, ist Lob genug«, mag ich mich gar nicht anfreunden. Außerdem habe ich bei dem, was ich tue, schon den Anspruch, richtig gut zu sein. Und da verliere ich schon mal den Blick für das große Ganze und verbeiße mich in irgendwelchen Kleinigkeiten. Meist handelt es sich dabei nur um etwas Nebensächliches, doch ich will es richtig gut machen; selbst wenn ich weiß, dass ich diesem Anspruch nicht immer gerecht werde.

Um mich aus diesem Hamsterrad zu befreien, hilft es mir, einen Blick ins »Neue Testament« der Bibel zu werfen. Dort wird in den Evangelien davon berichtet, mit wem Jesus Christus so unterwegs gewesen ist – wer seine Jünger waren. Da kommt schon eine recht bunte Mischung zusammen. Unter anderem waren Fischer und Zöllner dabei, die neben ihren Fähigkeiten und Begabungen auch ihren ganz eigenen Charakter mitbrachten.

Diese ganz persönlichen Wesenszüge waren es dann, mit denen sie an der einen oder anderen Stelle gehörig aneckten. Perfekt waren sie ganz und gar nicht und machten beileibe nicht alles richtig. Und trotzdem hatte Jesus sie ausgewählt ihm zu folgen – oder vielleicht auch gerade deshalb.
Denn wie kann man die frohe Botschaft der Evangelien über Nächstenliebe und Vergebung der Sünden besser wiedergeben und erfahrbar machen, als mit Menschen die genauso sind, wie Sie und ich; mit Menschen, die nicht perfekt sind und auch niemals sein werden – unvollkommen wie alle Menschen eben? Oder kennen Sie jemanden in Ihrem Umfeld, der oder die perfekt ist?

Das ist im Übrigen ein beliebter Irrtum, der uns wohl immer wieder unterläuft, nämlich dass wir denken, wir könnten perfekt sein. Dieses Nicht-perfekt-Sein sollten wir uns eingestehen und zugestehen. Damit will ich nicht sagen, dass man sich nicht anstrengen kann, um seine persönlichen Grenzen des Machbaren zu erweitern. Doch spätestens, wenn bei uns die Fokussierung auf etwas Bestimmtes uns alles andere vergessen lässt, sollten wir uns Gedanken darüber machen, ob wir nicht Mut zur Lücke haben sollten.

»Gut genug«, ist manchmal besser

Am Beispiel unserer Eingangsgeschichte würde das bedeuten, dass Karsten M. sein Konzept vielleicht nicht ganz fertig aber pünktlich abgeliefert hätte. Seine Chefin wäre von dem, was im Konzept schon erkennbar ist, begeistert gewesen und hätte ihm noch mehr Zeit zugestanden, um daran weiterarbeiten zu können. Unser aller Chef – Gott – sieht das übrigens genauso. Das hat zumindest Martin Luther vor 500 Jahren versucht deutlich zu machen. Mit seinen Gedanken zur Rechtfertigung vor Gott wies er darauf hin, dass wir allein durch den Glauben an Jesus Christus gerecht vor Gott werden. Keine noch so perfekte Tat kann den Glauben ersetzen.

Das ist, finde ich, das großartige an Gott dem Schöpfer von Himmel und Erde. Mit unserem Glauben an Jesus Christus sind wir angenommen. Von ihm werden wir nicht unter Druck gesetzt, irgendetwas zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig zu haben. Bei Gott laufen wir nicht Gefahr, in irgendeine weit entfernte Außenstelle versetzt zu werden. Wichtig ist, dass wir uns auf dem Weg bewegen, den uns Gott in Jesus Christus aufzeigt. Da ließe sich viel drüber erzählen; eins aber gewiss nicht, nämlich dass wir perfekt sein sollen.

Mir persönlich nimmt das eine Menge Druck von den Schultern und lässt mich wesentlich entspannter arbeiten. Es hilft mir dabei, das große Ganze in meinem Leben und bei meiner Arbeit im Blick zu behalten und mich nicht in Kleinigkeiten zu verbeißen. Da ist dann »gut genug« einfach manchmal besser. Und wie schaut es bei Ihnen aus?

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