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Die Sehnsucht nach dem starken Mann

Das Bild, das sich mir bietet, wäre glatt etwas für »Upps! – Die Pannenshow«. Ein kleiner Junge, so vier oder fünf Jahre alt, geht im Streichelzoo zügig auf das weiß-beige-gefleckte Zicklein zu, um es zu streicheln. Das Zicklein ist von dieser Zuwendungsabsicht wohl etwas überrascht und stupst den Jungen einfach um.

Verdutzt findet sich der Junge, nennen wir ihn mal Carsten, auf den Boden sitzend wieder. Einen Moment scheint er zu überlegen, wie er sich verhalten soll, dann ist sein Entschluss gefallen. Laut aufschreiend rappelt er sich auf, dreht sich um und läuft in Richtung seiner Eltern, die in einiger Entfernung das Geschehen verfolgt haben.

Das Ziel von Carsten ist klar, er flüchtet in die Arme des Vaters, der in die Hocke gegangen ist und seinen Sohn mit weit geöffneten Armen empfängt. Als Carsten ankommt, schließt dieser seine Arme und nimmt seinen Sohn hoch. Schlagartig verstummt das Geschrei, dieser Ausdruck von Verblüffung, Erschrecken, Empörung und Angst.

»Ja«, denke ich mir, »in den Armen seines Vaters ist Carsten sicher. Dort wird er behütet und beschützt. Und sollte die wilde Bestie in Form des Zickleins es noch einmal wagen ihn angreifen zu wollen, dann wird der Vater ganz sicher diesen Versuch schon im Keim ersticken und endgültig für Ruhe und Ordnung sorgen.«

Die große und die kleine Welt

Kaum gedacht, halte ich inne und bin über mich selbst ob der Wortwahl meiner Gedanken verwundert. Das Martialische in der Ausdrucksweise passt eigentlich gar nicht zu diesem eher spielerischen und liebevollen Geschehen. Wie komme ich nur auf diese Gedanken?

Vielleicht befasse ich mich zu viel mit den Nachrichten, mit dem Geschehen in der Welt. Als dieser Text entsteht, ist der Terroranschlag an der Gedächtniskirche in Berlin nur wenige Tage alt. Der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten denkt über atomare Aufrüstung nach; der russische Präsident rühmt sich der Befreiung der umkämpften syrischen Stadt Aleppo; in der Türkei werden Stück für Stück Parlamentarismus, sowie die Presse- und Meinungsfreiheit durch Präsident Erdogan beschnitten und der israelische Staatschef stellt nach einer Resolution des UN-Sicherheitsrats zum Siedlungsbau die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen in Frage.

Da sind sie, die »starken Männer« des aktuellen Weltgeschehens. Mit ihren markigen Worten und ihrem entschiedenen Verhalten, präsentieren sie sich als Vaterfigur und vermitteln den Menschen in ihren Ländern, dass nur sie es sind, die das Land, die Kultur (oder was immer den Menschen gerade wichtig ist) bewahren können. – Und die Menschen glauben ihnen vielfach.

Hand in Hand

Meine Gedanken werden von dem Geschehen bei Carsten und seinem Vater abgelenkt. Der Junge scheint sich beruhigt zu habe. Der Vater setzt ihn wieder auf den Boden ab und geht selbst in die Hocke. Nun auf Augenhöhe mit seinem Sohn redet er beruhigend auf ihn ein. Hin und wieder wechseln die Blicke der beiden zu dem Zicklein, ehe das Gespräch der beiden weitergeht. Nach einer Weile erhebt sich der Vater wieder. Carsten blickt nun an ihm empor und greift nach seiner Hand. Langsam setzen sich die beiden auf das Zicklein zu in Bewegung, das recht unbeteiligt das ganze Geschehen verfolgt hat. Es weicht nicht zurück, als die beiden das Tier fast erreicht haben. Zögernd streckt Carsten nun seine Hand aus. Das Zicklein macht einen kleinen Schritt auf Vater und Sohn zu und schnuppert neugierig an der Hand; wohl in Erwartung eines kleinen Leckerbissens. Da das nun gar nicht mehr so »wilde« Tier keine Anstalten macht sich wieder auf Carsten zu stürzen, wird dieser mutiger und streicht vorsichtig mit seiner Hand den Hals und dann den Rücken entlang. Auch das lässt das Zicklein ohne große Anteilnahme über sich ergehen. Plötzlich scheint es aber im Augenwinkel ein »lohnenderes« Objekt entdeckt zu haben und läuft von Vater und Sohn weg in die andere Ecke des kleinen Geheges, wo ein anderer Junge, scheinbar eine Möhre in der Hand hält.

Beispiel für die Welt?

Schmunzelnd überlege ich, ob sich das kleine Schauspiel vor meinen Augen auch auf das Geschehen in der Welt übertragen ließe. Die besonnene und unaufgeregte Art des Vaters wäre sicher etwas, das wir vielerorts gut gebrauchen könnten. Und den Mut des Jungen nach einem »Akt der Gewalt« erneut einen Kontaktversuch zu wagen, statt zu einem gewaltvollen Präventivschlag auszuholen, wäre in vielen Situationen auf der Welt wünschenswert.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Das fängt schon bei mir selber an. Wenn mir selbst so etwas geschieht wie Carsten, wo soll ich dann hinlaufen? Da ist kein Vater mehr, der mich behütet und beschützt; der mich tröstet und mir Mut zuspricht. Sicher, es gibt Freunde, die einem beistehen können. Doch sie ersetzen nicht den Vater, diesen großen starken Mann, diesen Retter, der seinem »kleinen Sohn« beisteht.

Mein Retter!

Was bin ich froh, dass ich da einen neuen Retter für mich entdeckt habe. Gott. Wenn auch nicht körperlich, so ist er doch in meinen Gedanken immer da und hält die Arme auf, wenn mir weniger schöne Dinge passieren. Wenn ich in einen Konflikt gerate oder schwierige Situationen überstehen muss.

ER ist da, tröstet mich und stärkt mich wieder.
ER spricht mir Mut zu, mich schwierigen Situationen zu stellen.
ER ist der große starke Mann, den ich brauche, um das Leben zu meistern.

Sicher, er nimmt mir das Schwierige im Leben nicht ab. Das hat bei der Geschichte mit dem Jungen und dem Zicklein der Vater auch nicht gemacht. Aber mit meinem Gott an der Seite bin ich nicht allein unterwegs. Da habe ich jemand starkes, auf den ich mich verlassen kann. Der mir Sicherheit gibt und damit auch Raum für unterschiedliche Sichtweisen und Alternativen.

Das ist etwas, was ich mir auch für alle Menschen wünsche. Dass sie das Denken und Handeln nicht den scheinbar »starken Männern« überlassen, sondern sich selber eine Meinung bilden und wenn nötig auch aktiv werden. Gerade letzteres tut vielfach Not. Viel zu oft wird mir nämlich politisches Handeln heutzutage als alternativlos verkauft. Ich meine, wenn wir uns stärker auf Gott als »starken Mann« an unserer Seite einlassen würden, dann bräuchten wir wahrscheinlich weniger solch »starke Männer« wie Trump, Putin oder Erdogan.

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