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Alles unter Kontrolle! Wirklich?

Der Puls von Hans-Jörg Z. schießt auf 180. »So ein Mist«, ruft er aus, jetzt hat er den Halt des Zuges im Bahnhof »Frankfurt Flughafen« verpasst. Und damit die Chance, einen Flieger nach Berlin zu bekommen, um früher zu Hause zu sein. Mit Hochdruck fängt sein Gehirn an zu arbeiten, um weitere Alternativen zu prüfen.

Eigentlich hatte das Wochenende für Hans-Jörg Z. so gut angefangen. Endlich ein Seminar, an dem er nicht im Mittelpunkt stand und Wissen weitergeben musste. Sondern Tage, an denen er sich selber füllen lassen und ein Stück auftanken konnte. Sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, neue Kontakte zu knüpfen und interessante Gespräche zu führen, stand für ihn an diesem Wochenende im Mittelpunkt.

Wie es seinem Naturell entspricht, hatte er dafür alles genau geplant. Auf die Anreise mit dem eigenen Auto verzichtete er, um sich den Stress auf den Autobahnen zu ersparen. An dem Wochenende endeten einige Sommerferien und die Strecken im Frankfurter Raum würden dann eher einem Parkplatz gleichen, als einer Hauptverkehrsader.

Die Fahrt mit der Fernbahn, der Regionalbahn und dem Bus hatte er so aufeinander abgestimmt, dass sogar die eine oder andere mögliche Panne mit berücksichtigt wurde. Und, man mag es kaum glauben, die Hinfahrt klappte reibungslos und ohne Störungen. Die Anschlüsse passten minutengenau und Hans-Jörg Z. fühlte sich bei der Ankunft im Tagungshaus richtig in Urlaubsstimmung.

»Tja«, dachte er sich, »wenn man genau genug plant, dann klappt das auch« und klopfte sich gedanklich selbst auf die Schulter. So genoss er das Wochenende in vollen Zügen – bis, ja, bis zur Abreise.

Eine Sportveranstaltung die durch die Innenstadt von Wiesbaden führte und Störungen im Betriebsablauf der Deutschen Bahn ließen ihn Schlimmes für seine Planungen befürchten. Doch dank der zahlreichen Apps (das sind diese kleinen Programme) auf seinem Smartphone konnte er mögliche Alternativen ausloten. So ließ er sich Ausweichrouten aufzeigen und setzte mögliche Mehrkosten in Relation zur gewonnenen Zeit. Selbst die Möglichkeit, mal eben den Flieger am Frankfurter Flughafen zu besteigen, um den Störungen »am Boden« zu entgehen, ließ er nicht außen vor und kam zu einer durchaus positiven Kosten-/Nutzenrechnung. Dass die Lösung mit dem Flieger ökologisch gesehen nicht gerade erstrebenswert war, nahm Hans-Jörg Z. freilich wahr. Er legte seine Bedenken aber rasch beiseite. Immerhin ging es darum, die Planung im Griff zu haben.

Zwar auf Umwegen und mit einem Taxi – aber er erreichte rechtzeitig den Hauptbahnhof in Wiesbaden und sprang in den geplanten Regionalzug. Sein Entschluss stand fest. Er würde am Flughafen aussteigen und schauen, dass er einen Flieger bekommt. Und wenn das nicht gelingen sollte, hätte er noch genügend Zeit, die ursprüngliche Planung mit dem Fernzug wieder aufzunehmen. Mit wachsender Begeisterung rechnete er die Minuten, die er einsparen würde gegen die Mehrkosten auf. Dabei vertiefte er sich so sehr in seine Berechnungen, dass er den Halt an der Station »Frankfurt Flughafen« nicht mitbekam.

»Alle eure Sorge werft auf ihn«

Der Puls von Hans-Jörg Z. schießt auf 180. »So ein Mist«, ruft er aus und springt auf. Jetzt hat er die Chance verpasst, einen Flieger nach Berlin zu bekommen, um früher zu Hause zu sein. Mit Hochdruck fängt sein Gehirn an zu arbeiten, ob es Sinn macht, an der nächsten Station die Regionalbahn zu verlassen und zurückzufahren. Doch plötzlich hält er inne. »Was machst du hier eigentlich«, fragt er sich. »Hat das überhaupt einen Sinn?« Im Hinsetzen schüttelt er den Kopf. »Ich bin doch auf der Heimreise und da ist es nicht wirklich wichtig, ob ich eine Stunde früher oder später zu Hause ankomme. Was soll das Ganze also?«

Erst langsam kommt sich Hans-Jörg Z. selbst auf die Schliche. Er macht sich Sorgen. Sorgen darum, nicht die Kontrolle zu haben. Sorgen darum, womöglich etwas zu verpassen, wenn er nicht früher oder zumindest pünktlich zu Hause ankäme. Sorgen darum, dass jemand denken könnte: »Na, da hat deine Planung wohl nicht geklappt!« »Wow«, denkt er bei sich, »was schleppe ich denn da für einen Ballast mit mir herum? Unnützere Sorgen gibt es wohl kaum.«

Sein Blick fällt auf eine »Werbung« an der Wand des Zuges. »Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch« (1. Petrus 5,7), steht da geschrieben. Innerlich nickt er mit dem Kopf. Dabei geht ihm ein weiterer Abschnitt aus dem Neuen Testament durch den Kopf. Nämlich die Stelle im Matthäus-Evangelium, an der Jesus seinen Jüngern etwas über das Schätze sammeln und das Sorgen-Machen erzählt. Bilder aus der Natur verwendet er dafür. Die Vögel, die nicht aussähen, nicht ernten und keine Scheunen füllen und dennoch genug zum Leben haben. Oder die Lilien auf dem Feld, die nicht arbeiten und auch keine Kleidung spinnen und doch ganz herrlich anzuschauen sind.

»Von dieser Gelassenheit könnte ich mir glatt eine Scheibe abschneiden«, denkt sich Hans-Jörg Z. und überlegt weiter, an welchen Stellen in seinem Leben, er sich eigentlich überall so seine Gedanken macht, sich sorgt.

Zwischendurch erreicht er den Hauptbahnhof in Frankfurt am Main. Bis sein Zug abfährt hat er noch etwas Zeit. So besorgt er sich eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken, bevor er den Bahnsteig ansteuert, von dem sein Zug abfahren wird. Dort setzt er sich auf eine Bank und fängt an, das Gewusel an herumeilenden Menschen zu beobachten. Familien die gerade aus dem Urlaub zurückkommen, sind ebenso unter den Reisenden, wie Geschäftsleute in Anzügen. Beim umherblicken fällt ihm eine ältere Frau auf. Gebückt schleicht sie den Bahnsteig entlang. In beiden Händen hält sie Plastiktüten, die wohl mit leeren Trinkflaschen gefüllt sind. Bei jedem Schritt schlackert das viel zu weite T-Shirt an ihren spindeldürren Ärmchen. »Wie alt wird sie wohl sein?», fragt sich Hans-Jörg Z. und beobachtet sie weiter, wie sie von Abfalleimer zu Abfalleimer geht und nachschaut, ob sich darin eine leere Pfandflasche finden lässt. »Und ich mache mir Sorgen, wann ich zu Hause ankomme«, sinniert er vor sich hin. »Das sollte aufhören; je eher, desto besser.«

Tief in Gedanken, bekommt er erst im letzten Moment mit, dass sein Zug nun endlich eingefahren ist und schon fast alle Leute eingestiegen sind. Er muss lachen und überlegt einen Moment, ob er nicht einfach auf den nächsten Zug warten soll; schon aus Trotz. Doch dann springt er doch auf und geht zum Einstieg. »Man muss es ja nicht gleich übertreiben mit der Gelassenheit«.

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